Politisches Klima im Europa-Wahlkampf

17.05.2024

Ein Interview mit dem Kreisvorsitzenden Ingo Pfennings.

1. Wie beschreiben Sie das aktuelle politische Klima im Kreis Euskirchen während des Europa-Wahlkampfes?

Meines Erachtens nach ist das politische Klima im Kreis Euskirchen durch den Europa-Wahlkampf nicht akut verändert worden – weder zum Guten noch zum Schlechten. Deutlich wahrnehmbar ist aber, dass es mittlerweile auch in Teilen der Bevölkerung im Kreis ein grundsätzliches Misstrauen „in Politiker“ – also selbst in diejenigen, die sich rein ehrenamtlich für ihre Heimat und Mitmenschen einsetzen – gibt. Diese Entwicklung bereitet mir große Sorgen, da besonders die vielen, vielen ehrenamtlichen Politiker ein Grundpfeiler unserer Demokratie sind. Hinzu kommt, dass vor allem rechts- und linksaußen aber auch bestimmte „Interessensgruppierungen“ immer totalitärer in ihren Ansichten werden – sei für uns, sonst bist du gegen uns! Dadurch wird ein politischer Diskurs bei vielen Themen immer schwieriger, da sich harte Fronten gegenüber stehen, die andere Ansichten ablehnen und zeitgleich Zustimmung für die eigenen erwarten.

2. Wurden Parteimitglieder oder Ihre Partei im Zuge des Europa-Wahlkampfes angegriffen, bedroht oder beleidigt?

Meines Wissens nach ist das im Zuge des Europa-Wahlkampfes bislang nicht vorgekommen. Gerade in den sozialen Medien kommt es jedoch mittlerweile leider immer wieder zu Beleidigungen und vereinzelt auch zu Drohungen – vor allem gegen unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Auch das gezielte Streuen von Gerüchten oder das Verbreiten von „Fake-News“ scheint heutzutage – sowohl in Wahlkampfzeiten als auch im politischen Alltag – bei einigen zum festen Repertoire zu gehören. Selbiges gilt für das mutwillige Zerstören – sei es durch Runterreißen oder Beschmieren – von Wahlplakaten.

3. Falls ja, ist das auch bei vergangenen Wahlkämpfen so gewesen oder haben Sie das Gefühl es wird besser/schlimmer?

Ich habe das Gefühl, dass sich die Gesamtstimmung negativ verändert. Sowohl gesamtgesellschaftlich als auch unter den politischen Akteuren. Früher wurde ebenfalls hart in der Sache gerungen – es wurde aber deutlich seltener persönlich und in der Regel konnte man gerade auf kommunalpolitischer Ebene danach noch ein Bier zusammen trinken gehen.

4. Hängen Bedrohungen oder Beleidigungen, die Sie erfahren, mit Ihren kommunalpolitischen Themen zusammen oder mit der Bundespolitik?

In der Regel mit der aktuellen Bundespolitik. Jedoch scheint sich das Misstrauen gegenüber der „großen Politik“ mittlerweile auch zu einem Misstrauen gegenüber kommunaler Räte und Verwaltungen auszudehnen. Ein stückweit ist das sicher den manchmal realitätsfremden Entscheidungen aus Berlin geschuldet, die dann von den Verwaltungen umgesetzt werden müssen, beispielsweise in der Corona- oder der Energiepolitik und, ganz aktuell, bei der Grundsteuergesetzgebung. Besonders die Bauernproteste haben gezeigt, wie schnell sich kommunalpolitische Akteure für Berliner Entscheidungen rechtfertigen sollen oder gar müssen, auch wenn sie inhaltlich vielleicht ganz anderer Meinung als sind. Gepaart mit einer massiven Bürokratisierung und in direkter Folge langer Wartezeiten bei vielen Verwaltungsprozessen aufgrund der dünnen Personaldecken besonders der kleinen Verwaltungen, entsteht so ein Nährboden für Frustration gegenüber Politik und Verwaltungen.

5. Machen Sie sich Sorgen, dass sich das politische Klima im Kreis Euskirchen künftig verschlechtern könnte?

Ja!

6. Befürchten Sie, dass sich durch Angriffe auf Politiker wie in Dresden künftig weniger Menschen kommunalpolitisch engagieren könnten?

Ja! Die meisten Menschen, die sich kommunalpolitisch engagieren, machen das ehrenamtlich in Ihrer Freizeit, weil sie etwas positives für ihre Heimat bewirken wollen. Dank für ihr Engagement erfahren dabei leider die wenigsten – ein Schicksal, dass sie mittlerweile mit vielen anderen Ehrenamtlern teilen. Wenn dann aber noch Bedrohungen oder gar tätliche Angriffe gegen einen selbst oder die Familie hinzukommen, kann ich gut nachvollziehen, wenn man sich ein anderes Ehrenamt sucht oder gar frustriert komplett mit ehrenamtlichem Engagement aufhört.

7. Sind Ihnen Parteimitglieder bekannt, die aus Furcht vor verbaler oder physischer Gewalt auf einen Einsatz im Wahlkampf verzichten (vielleicht auch Leute, die bisher immer aktiv für ihre Partei gekämpft haben). Oder nehmen Sie wahr, dass vermehrt Mitglieder, die bisher aktiv waren, nicht mehr mitmachen, ohne einen Grund dafür zu nennen?

Ich bin mittlerweile ja auch schon einige Jahre kommunalpolitisch aktiv und merke, dass bei vielen die Identifikation nach außen sowohl mit der Kommunalpolitik als auch mit einer Parteimitgliedschaft deutlich nachgelassen hat. War es früher noch „normal“, als Parteivertreter ein Sommerfest im Ort mit Parteishirt zu besuchen oder zumindest seine Rolle als Parteimitglieder oder gar Ratsvertreter offen zu kommunizieren, hat das heute doch deutlich nachgelassen. Ein Grund dafür sind sicherlich die bereits benannten totalitären Ansichten vieler, die zu Anfeindungen führen können, wenn man diese nicht teilt. Ein anderer Grund ist die grundsätzlich negative Stimmung gegenüber Politik, die Aktive schnell in Rechtfertigungszwänge bringt, warum man so etwas denn eigentlich macht. Hinzu kommt, dass auch die Anforderungen an (ehrenamtliche) Kommunalpolitiker aufgrund der immer komplexeren Verwaltungsprozesse immer höher werden und der zwingend notwendige Zeitaufwand für dieses Ehrenamt ebenfalls kontinuierlich ansteigt. Eine meiner Meinung nach insgesamt gefährliche Entwicklung, denn gerade die Kommunalpolitik hat bereits jetzt massive Nachwuchsprobleme, ist aber entscheidend für unser gesellschaftliches System. Wir sollten allen, die sich in ihr engagieren, dankbar dafür sein und Werbung für ein Engagement in ihr machen. Daher zum Abschluss: Ja, gerade Kommunalpolitik kann tatsächlich Spaß machen und zeitnah konkrete Ergebnisse liefern!

(Interview KSTA - Ingo Pfennings)